Die jüngsten Olympiaerfolge im Schwimmen in Paris (FRA) von Olympiasieger Lukas Märtens, Isabel Gose und Oliver Klemet wurden auch von Seiten der Politik groß gefeiert. Doch was oft vergessen wird, ist dass diese Erfolge auf jahrelangem Training von Klein auf basieren, welches ohne die entsprechende Infrastruktur nicht möglich ist. Und genau daran mangelt es in Deutschland schon seit langem. Der Deutsche Schwimm-Verband e.V. (DSV) fordert die Bundesregierung deshalb dringend auf, die längst überfälligen Maßnahmen zur Modernisierung und nachhaltigen Gestaltung der deutschen Bäderlandschaft endlich voranzutreiben. Die angespannte Haushaltslage darf kein Argument für weitere Kürzungen sein. Denn Schwimmbäder sind nicht nur Orte zum Schwimmen, sondern auch essenziell für die Gesundheit, das soziale Miteinander, die Freizeitgestaltung für Familien und die Gesellschaft im Allgemeinen.
DSV-Präsident David Profit erklärt: „Jetzt in den Sommermonaten fällt besonders auf, dass die Bäder fehlen. Gerade Familien, die sich keinen Urlaub oder teure Ausflüge leisten können, sind auf Angebote in der Nähe angewiesen. Unsere Schwimmbäder sind soziale Ankerpunkte und unverzichtbare Stätten der Gemeinschaft. Der Sanierungsstau gefährdet nicht nur den Badebetrieb, sondern insbesondere die lebenswichtige Schwimmausbildung der Kinder in Deutschland. Es ist höchste Zeit, dass wir den Wert dieser Einrichtungen anerkennen und sie durch nachhaltige Investitionen zukunftsfähig machen.“
Denn die traurige Realität sieht leider anders aus. Laut einer durch das Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) in Auftrag gegebenen Studie aus 2023 sind viele der rund 4.300 öffentlichen Schwimmbäder und rund 900 Schulschwimmbäder in Deutschland dringend sanierungsbedürftig. Danach beträgt laut Studie der wirtschaftliche Investitionsrückstand für Sportstätten, einschließlich Schwimmbädern, mittlerweile schätzungsweise mehr als 13 Milliarden Euro; andere Berechnungen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) und des Deutsches Städtetags (DST) liegen sogar noch deutlich darüber. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen stehen nach Erhebungen des Portals Bäderleben.de für fast 18 Millionen Menschen nur 726 für Schwimmsport geeignete öffentliche Bäder und 294 Schulbäder zur Verfügung. Laut des Schwimmverbandes NRW werden mehr als 100 der öffentlichen Bäder werden nicht mehr von Kommunen sondern von Schwimmvereinen und Bürger*innen getragen, weil die Kommunen die Kosten nicht aufbringen können. Mit dieser Infrastruktur ist nicht mehr gewährleistet, dass alle Kinder und Erwachsenen Schwimmen lernen und Schwimmen praktizieren können.
Frank Rabe, Geschäftsführer des mitgliederstärksten Landesschwimmverbandes NRW, betont deshalb: „Die Zukunft unserer Schwimmbäder ist abhängig von den Investitionen durch Bund, Länder und Kommunen. Ein umfassendes Investitions- und nachhaltiges Sanierungsprogramm sind der Schlüssel, um sicherzustellen, dass Kinder auch in Zukunft schwimmen lernen und die Bäderlandschaft als kultureller und sozialer Raum erhalten bleibt. Wir dürfen nicht länger warten, um den Trend des Bädersterbens nachhaltig umzukehren.“
Auch „Das Erste“ überraschte kürzlich mit einer Sondersendung zur besten Sendezeit zu den Rechten von Kindern und benannte darin einige der drängendsten Themen, die die Zukunft unseres Landes umtreibt. Eines davon waren geschlossene Schwimmbäder und die allgemein mangelhafte Sportinfrastruktur. In einigen Regionen beträgt die Fahrzeit zur nächstgelegenen Schwimmanlage eine Stunde; anderswo warten Kinder und Jugendliche jahrelang auf einen Schwimmkurs, weil es aufgrund von Bäderschließungen an Wasserfläche für das Schulschwimmen und andere Kursangebote fehlt.
„Es kann nicht mehr ignoriert werden, dass es weitreichende Investitionen in die Bäderinfrastruktur braucht“, sagt auch Wolfgang Hein, Präsident des Landesschwimmverbandes Niedersachsen und Vertreter des DSV in der Bäderallianz Deutschland. „Schwimmen können ist so wichtig wie Laufen können“, trotzdem hätten heutzutage viele Kinder, aber auch Erwachsene, keinen Zugang mehr zum Bewegungsraum Wasser. Mit Folgen auch für den Spitzensport: Je weniger Kinder und Jugendliche sportlich aktiv sind, desto seltener werden sie eine leistungssportliche Karriere einschlagen – und Erfolge wie die von Lukas Märtens und Co. werden unwahrscheinlicher.
Der wachsende Sanierungsstau erfordert sofortiges Handeln. Schwimmbäder müssen energieeffizient und klimafreundlich gestaltet werden, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Es besteht ein akuter Mangel an qualifizierten Schwimmlehrer*innen, Rettungsschwimmer*innen und Fachpersonal, was die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen betrifft. Ein nachhaltiges Finanzierungsmodell muss entwickelt werden, um den Betrieb und die Modernisierung der Bäder langfristig zu sichern.
Der DSV unterstützt zudem die bundesweite Einführung des kostenlosen Zugangs zu Schwimmbädern für Kinder, wie es beispielsweise in Frankfurt am Main praktiziert wird, und ehrenamtliche Tätigkeiten im Bereich des Schwimmsports stärker zu fördern. Dazu gehört auch, dass anerkannten Sportorganisationen, Schulen und Hochschulen die Schwimmbäder öffentlicher Träger für den Übungs-, Lehr- und Wettbewerbsbetrieb unentgeltlich nutzen können, so wie es in Thüringen bereits ermöglicht wird. „Unsere Schwimmbäder sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Daseinsvorsorge. Wir müssen jetzt handeln, um die Bäderlandschaft in Deutschland nachhaltig zu sichern und zu modernisieren. Es ist eine Investition in die Gesundheit und die Zukunft unserer Gesellschaft“, betont DSV-Präsident David Profit.